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16. Mär 2020 / Arbeitsrechtsberater
Philipp Aichner
Arbeitsrechtsberater
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Coronavirus - Lohnausgleichskasse

Coronavirus – soziale Abfederungsmaßnahmen in Italien

Die wirtschaftliche Situation hat sich infolge der derzeitigen Coronavirus Epidemie schlagartig verschlechtert. Mit der verordneten, vorübergehenden Schließung der Betriebe ganzer Berufssparten wie Tourismus, Einzelhandel, und die Schließung der Baustellen können zum einen die Arbeitgeber keinen Umsatz generieren und zum anderen müssen Arbeitnehmer die Arbeit aussetzen. Um in solchen und anderen Fälle einer vorübergehenden Reduzierung oder Aussetzung der Arbeitstätigkeit Entlassungen zu vermeiden sind verschiedene Arten der Lohnausgleichskassen laut betrieblicher INPS Einstufung vorgesehen. Aus aktuellem Anlass finden Sie nachfolgend eine Übersicht der verschiedenen Arten der Lohnausgleichskasse:


Ordentliche Lohnausgleichskasse INPS (CIGO)

Die ordentliche Lohnausgleiskasse kann italienweit von folgenden Betrieben beansprucht werden:
•    Industrieunternehmen und Handwerksbetriebe, die im Bausektor und Baunebengewerbe, sowie im Sektor für Steinmetzarbeiten tätig            sind, unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten;
•    Genossenschaften, die beim NISF/INPS die entsprechende Beitragsleistung einzahlen und somit in den Anwendungsbereich des                    Lohnausgleichs fallen;
•    Sonstige Handwerksbetriebe, sofern sie folgende Mitarbeiterzahl überschritten haben und daher beitragsmäßig als Industriebetrieb              eingestuft werden:
o    Transportunternehmen                                  ab 9 Mitarbeiter
o    Serienfertigung                                                ab 10 Mitarbeiter
o    Nicht-serielle Verarbeitung                             ab 19 Mitarbeiter
o    Kunsthandwerk und Maßanfertigung          ab 33 Mitarbeiter

Die ordentliche Lohnausgleichskasse kann in der Regel für folgende Gründe in Anspruch genommen werden:
a)    Auftragsmangel und Marktkrise
        ital. mancanza di lavoro/commesse e crisi di mercato;
b)    Ende Baustelle, Ende Arbeiten, Ende Baubaschnitt, Varianten und Zusatzprojekte
       ital. fine cantiere, fine lavoro, fine fase lavorativa, perizia di variante e suppletiva al progetto;
c)    Fehlen der Rohstoffe oder Komponenten
       ital. mancanza di materie prime o componenti;
d)    Wetterereignisse
        ital. eventi meteo;
e)    Streik in einer Abteilung oder in einem anderen Unternehmen
        ital. sciopero di un reparto o di altra impresa;
f)    Brand, Überschwemmung, Stromausfall, Unbenutzbare Betriebslokale, auch anhand verhängter Verordnungen - Aussetzung oder               Einschränkung der Tätigkeit auf behördliche Anordnung aus Gründen, die nicht dem Unternehmen oder seinen Mitarbeitern                          zuzuschreiben sind
        ital. incendi, alluvioni, sisma, crolli, mancanza di energia elettrica, impraticabilità dei locali, anche per ordine della pubblica autorità -                sospensione o riduzione dell'attività per ordine della pubblica autorità per cause non imputabili all'impresa o ai lavoratori;
g)    Maschinenausfälle - außerordentliche Wartung guasti ai macchinari
        ital. manutenzione straordinaria.

Die Lohnausgleichskasse kann für alle lohnabhängigen Arbeitnehmer – auch Mitarbeiter mit einem Arbeitsvertrag für berufsspezialisierte Lehre – angewendet werden, die eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 90 Tagen haben. Leitende Angestellte (ital. Dirigenti) und Lehrlinge (traditionelle Lehre) sind von der Unterstützung ausgenommen.

Die Leistung der Lohnausgleichskasse entspricht 80% der Entlohnung des Mitarbeiters unter Berücksichtigung der folgenden Maximalbeträge: 

 Monatliche Bruttoentlohnung inkl. Zusatzgehälter

 Bruttobetrag       Nettobetrag *
 (Betrag vor Steuern)
 bis zu 2.159,48 EUR      998,18 EUR    939,89 EUR
 über 2.159,48 EUR    1.199,72 EUR   1.129,66 EUR

*bei Nutzung der Leistung wird nur ein reduzierter Sozialbeitragssatz NISF/INPS%

Für wetterbedingten Lohnausgleich im Bausektor und der Steinverarbeitung werden die Beträge um 20% erhöht. Die Betriebszugehörigkeit von 90 Tagen ist der Arbeitnehmer ist auch nicht verpflichtend.

Die Leistung kann für maximal 13 Wochen in Anspruch genommen werden und ist vierteljährig auf maximal 52 Wochen in einem mobilen 2-Jahres-Zeitraum ausweitbar. 
Der Arbeitgeber ist zur Zahlung des sog. Zusatzbeitrags (ital. contributo addizionale) verpflichtet. Dieser hängt von der Dauer des beantragten Lohnausgleichs ab und beträgt in den ersten 52 Wochen 9%. Im Falle von objektiv unvermeidbaren Ereignissen wie beispielsweise Wetterschicht, ist dieser Zusatzbeitrag nicht geschuldet. 
Die vom NISF/INPS autorisierten Beiträge müssen innerhalb von 6 Monaten ab Genehmigung des Antrags verrechnet werden. Der Antrag selbst muss innerhalb von 15 Tagen ab Beginn der Tätigkeitseinstellung bzw. -reduzierung telematisch an das NISF/INPS gestellt werden – im Falle von objektiv unvermeidbaren Ereignissen kann der Antrag innerhalb des darauffolgenden Monats, in dem das Ereignis eingetreten ist, gestellt werden.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Lohnausgleichs ist ein gewerkschaftliches Informations- und Beratungsverfahren (ital. consultazione sindacale). 
Wir erhoffen uns von Seiten der Regierung eine Erleichterung diesbezüglich, zumal diese Treffen aufgrund der aktuellen Situation derzeit kaum möglich sind durchzuführen.

 ACHTUNG: Als Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Leistung bei einer Arbeitszeitreduzierung gilt (d. h. wenn die           Arbeitnehmer trotz Lohnausgleich auch noch einige Stunden arbeiten), dass die Mitarbeiter ihren Urlaub, ihre Freistunden und                          Zeitbankrestbestände vollständig abgebaut haben müssen. 
  Bei einer totalen Arbeitsaussetzung hingegen muss der Urlaub vorab nicht vollständig genossen werden. Es muss aber der   vorgesehene    Mindesturlaub des laufenden Jahres von 2 Wochen gemäß Art. 10 des GVD Nr. 66/2003 genehmigt werden.

Welche Auswirkungen hat die Lohnausgleichskasse auf andere Lohnelemente:

  Lohnelemente  reift an: ja/nein
  Urlaub, 13.ter, 14.ter  nein, wenn Lohnausgleichskasse > 15 Tage/Monat
  Abfertigung   ja
  Volle Rentenversicherung  ja, Beiträge für Lohnausfall werden "figurativ" gutgeschrieben


Sonderlohnausgleichskasse (CIGO in deroga)

Die Sonderlohnausgleichskasse ist derzeit nur für Betriebe mit Beschäftigten in den Regionen Lombardei, Venezien und Emilia Romagna aufgrund entsprechend erlassenem Dekret anwendbar.
Unter dieser Voraussetzung kann die Sonderlohnausgleichskasse von ALLEN restlichen Arbeitgebern beansprucht werden (vorausgesetzt sie befinden sich in den zuvor genannten Gebieten), die vom ordentlichen (sog. CIGO) und außerordentlichen Lohnausgleich (sog. CIGS) ausgenommen sind bzw. welche die entsprechenden Lohnausgleichszeiträume bereits aufgebraucht haben.

Sie kann in der Regel für folgende Gründe beansprucht werden:

a)    Situationen welche nicht auf den Unternehmer oder die Arbeitnehmer zurückzuführen sind
        ital. situazioni aziendali dovute ad eventi transitori e non imputabili all’imprenditore o ai lavoratori;
b)    Marktbedingte Situationen
       ital. situazioni aziendali determinate da situazioni temporanee di mercato;
c)    Betriebskrisen
       ital. crisi aziendali;
d)    Betriebliche Umstrukturierung und Reorganisation
        ital. ristrutturazione o riorganizzazione.

Die Sonderlohnausgleichskasse betrifft Arbeitnehmer mit Einstufung Angestellte, Arbeiter, sowie Lehrlinge und Leiharbeiter mit einem Dienstalter von mehr als 12 Monaten. Leitende Angestellte (ital. Dirigenti) sind von der Unterstützung ausgenommen.

Die Leistung der Sonderlohnausgleichskasse entspricht 80% der Entlohnung des Mitarbeiters unter Berücksichtigung der folgenden Maximalbeträge:

  Monatliche Bruttoentlohnung inkl. Zusatzgehälter     Bruttobetrag      Nettobetrag *
  (Betrag vor Steuern)
  bis zu 2.159,48 EUR       998,18 EUR    939,89 EUR
  über 2.159,48 EUR     1.199,72 EUR   1.129,66 EUR

* bei Nutzung der Leistung wird nur ein reduzierter Sozialbeitragssatz NISF/INPS%


NISF/INPS Solidaritätsfonds (FIS)

Der NISF/INPS Solidaritätsfonds betrifft grundsätzlich wie der Solidaritätsfonds der Autonomen Provinz Bozen jene Arbeitgeber welche nicht in den Anwendungsbereich der ordentlichen oder außerordentlichen Lohnausgleiskasse fallen und für welche keine anderwärtigen Solidaritätsfonds – wie beispielsweise FSBA Handwerk oder eben jener Solidaritätsfonds der Autonomen Provinz Bozen – vorgesehen sind.
Neben einem ordentlichen Beitrag im Falle von Arbeitszeitenreduzierung bzw. Arbeitsaussetzung welcher nur Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern gewährt wird, kann auch ein Solidaritätsbeitrag für Unternehmen mit mehr als 5 Mitarbeiter beantragt werden, wenn es sich um Maßnahmen handelt welche Entlassungen vorbeugen.

Die Leistung des NISF/INPS Solidaritätsfonds entspricht in beiden Fällen (also ordentlicher Beitrag sowie Solidaritätsbeitrag) 80% der Entlohnung des Mitarbeiters unter Berücksichtigung der folgenden Maximalbeträge:

  Monatliche Bruttoentlohnung inkl. Zusatzgehälter     Bruttobetrag       Nettobetrag *
  (Betrag vor Steuern)
  bis zu 2.159,48 EUR    998,18 EUR   939,89 EUR
  über 2.159,48 EUR   1.199,72 EUR   1.129,66 EUR

* bei Nutzung der Leistung wird nur ein reduzierter Sozialbeitragssatz NISF/INPS%

Im Falle der Gewährung des Beitrags ist der Arbeitgeber verpflichtet einen außerordentlichen Beitrag in Höhe von 4% auf die entgangene Entlohnung zu leisten.

Sie kann für 
•      der Solidaritätsbeitrag wird für maximal 12 Monate in einem mobilen 2-Jahres-Zeitraum gewährt;
•    der ordentliche Beitrag wird für maximal 26 Wochen in einem mobilen 2-Jahres-Zeitraum für jene Gründe für auch die ordentliche Lohnausgleichskasse oder die außerordentliche Lohnausgleichskasse in Anspruch genommen werden kann, gewährt.
In Summe dürfen diese beiden Leistungsformen aber pro Produktionsstätte nicht länger als 24 Monate in einem mobilen 5-Jahres-Zeitraum in Anspruch genommen werden.

Die Anträge für den Solidaritätsbeitrag müssen innerhalb von 7 Tagen ab Unterzeichnung des Gewerkschaftsabkommen   telematisch an die territorial zuständige NISF/INPS Stelle gerichtet werden. Die Arbeitsreduzierung muss dann innerhalb 30 Tagen ab Antragsstellung erfolgen.
Die Anträge für den ordentlichen Beitrag hingegen, müssen frühestens 30 Tage bzw. spätestens 15 Tage vor Beginn der Arbeitsaussetzung oder der Arbeitszeitreduzierung gestellt werden.


Bilateraler Solidaritätsfonds Handwerk (FSBA)

Der bilaterale Solidaritätsfonds im Handwerk FSBA betrifft alle Handwerksbetriebe gemäß Gesetz Nr. 443/1995 und ist italienweit anwendbar. Er ist für jene Arbeitgeber anwendbar, die beim Fonds eingeschrieben sind und die Beitragszahlungen leisten. 

Die Leistung des Solidaritätsfonds entspricht 80% der Entlohnung des Mitarbeiters unter Berücksichtigung des Maximalbetrags von 1.193,75 EUR brutto.
Sie kann für 
•    maximal 20 Wochen beansprucht werden, sofern der Arbeitgeber den ordentlichen Beitrag entrichtet bzw.
•    für maximal 26 Wochen, wenn der Arbeitgeber den Solidaritätsbeitrag einzahlt. 

Der Antrag inkl. Gewerkschaftsabkommen muss innerhalb von 30 Tagen ab Beginn der Aussetzung/Reduzierung der Arbeitstätigkeit mit den Vordrucken des FSBA an eben dieses FSBA eingereicht werden. Im Zuge der Antragsstellung überprüft das FSBA auch noch folgende drei Punkte:
•    Beitragsordnungsmäßigkeit der letzten 36 Monate (DURC)
•    Mindestbetriebszugehörigkeit von 90 Tagen der betroffenen Mitarbeiter
•    Protokoll des Gewerkschaftsabkommens

  Ausnahmesituation Coronavirus    
   Für die Ausnahmesituation des Virus COVID-19 gilt folgendes:
  •    Für den Coronavirus COVID-19 wurde spezifisch eine eigene Begründung bzw. Bezeichnung im Antrag definiert.
  •    Es wurde ein eigener Vordruck für das Gewerkschaftsabkommen bereitgestellt, welches für maximal einen Zeitraum von einem                      Monat abdecken darf.
  •    Gewerkschaftsabkommen können auch rückwirkend unterschrieben werden, jedoch nicht mehr als 20 bzw. 26 betreffen.
  •    Die 90 Tage Betriebszugehörigkeit sind nicht zwingend einzuhalten; Es reicht, wenn der Mitarbeiter am 26.02.2020 im Betrieb                         angestellt war. 
  •    Die Beitragsordnungsmäßigkeit von 6 Monaten wird bei neu gegründeten Unternehmen nicht kontrolliert.
  •    Der Resturlaub muss von den Mitarbeitern vorher nicht aufgebraucht werden;

                                                                                                                                                                                                                                                        Die Zahlung der Leistung beginnt in jener Woche, in der der entsprechende Antrag gestellt wird. Diesen muss der Arbeitgeber innerhalb von 20 Tagen ab Beginn der Tätigkeitseinstellung bzw. -reduzierung telematisch an das NISF/INPS und die Region bzw. Autonome Provinz übermitteln. In den darauffolgenden Monaten muss ein Folgeantrag innerhalb des 25. des nächsten Monats gestellt werden. Die Anträge werden vom Amt autorisiert und müssen innerhalb von 6 Monaten ab Autorisierung mit den geschuldeten Beiträgen verrechnet werden. 
ACHTUNG: Als Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Leistung gilt, dass die Mitarbeiter ihren Urlaub, ihre Freistellungen und Zeitbankrestbestände vollständig abgebaut haben.
Die mögliche Höchstnutzungsdauer der Sonderlohnausgleichskasse wird vom jeweiligen Dekret festgelegt und zählen nicht zur Höchstdauer der Inanspruchnahme der außerordentlichen Lohnausgleichskasse (CIGS).

 

Büro Aichner                                                                                                                                                                                                                            Ihre Wirtschaftsberater, Steuerberater und Arbeitsrechtsberater in Südtirol/Italien